Auch nach 13 Büchern lerne ich selbstverständlich noch immer was hinzu, zumal ich erstmals eine mehrbändige Reihe (mindestens drei Bände) schreibe – und gewisse Inhalte alle Bände betreffen, sich aufeinander beziehen und so weiter.
Beispiel: Band 2, den ich gerade plotte, spielt zu einem kleinen Teil in der Vergangenheit. Zwei reife Teenager benötigen im Herbst 1974 dringend ein Liebesnest; sie finden es in einem weitgehend vergessenen Schutzraum unter der Universität. Als sie das Nest plötzlich nicht mehr brauchen, kehren sie nicht ein letztes Mal zurück, sondern lassen wörtlich alles stehen und liegen.
Teenager-Liebesnest
In der ersten Version von Band 1, der komplett in der Gegenwart spielt, hatte ich diesen Schutzraum außenvorgelassen. Das habe ich geändert, nachdem ich beim Plotten die Idee mit dem Pärchen hatte. Nun schicke ich meine Hauptfigur und einen Freund in diesen Raum, den sie so vorfinden, wie ihn das Liebespaar 50 Jahre zuvor zurückgelassen hat.
Aufschluss über den exakten Zeitraum der kreativen Umwidmung des Schutzraumes sollte in meinen Augen eine Zeitung oder ähnliches liefern. Darüber musste ich jedoch nicht ewig grübeln: Bei den Teenies der Siebziger konnte das nur die Zeitschrift BRAVO sein.
ABBA intim
Mein Protagonist findet also auf dem Boden des Schutzraums eine alte BRAVO. Konkret handelt es sich um Ausgabe 43 vom 17. Oktober 1974. „ABBA intim. 2 glückliche Paare“, prankt es reißerisch auf der Titelseite. Dazu ein, praktisch das gesamte Cover füllendes, Foto der vier Schweden, die beiden Damen rekeln sich in leicht lasziven Posen.
Das Cover fand ich im Übrigen mühelos im BRAVO-Archiv. Dort kann man sich alle Cover seit den Fünfzigerjahren bis heute ansehen und dabei eine Menge über die Entwicklung unserer Gesellschaft lernen.
Ich greife hier nur mal kurz den Punkt Freizügigkeit auf. Bis Anfang der Siebzigerjahre wirken die BRAVO-Cover brav, meist ist nur der Kopf eines Promis aus Musik, Film oder Sport abgebildet.
Juliane Werding in den Ausschnitt gucken
Nach 1972 ändert sich das. Da guckst du auf einmal Juliane Werding (oder halt Agnetha und Anni-Frid) in den Ausschnitt, Ingrid Steeger sowieso und junge männliche Stars wie David oder Shaun Cassidy präsentieren sich gern komplett oben ohne – außer vielleicht mit Halstuch.
Für heutige Verhältnisse recht gewagt (denkt meine Generation) beziehungsweise sehr, sehr schlimm/problematisch/strafbar (denken Gen Y und Z) sind die vielen, vielen nackten nichtprominenten Jugendlichen wie du und ich (damals) auf den Titelseiten. BRAVO führt sie sogar namentlich ein, hoffentlich mit falschen Namen.
Dr. Sommer
Wir reden hier immerhin von Europas führendem Jugendmagazin, einem Leitmedium, das sich unter anderem die sexuelle Aufklärung auf die Fahne geschrieben hat – und daraus in den Siebzigern auf den Covern kein Hehl macht: einschlägige Fotos und Schlagzeilen. Vor allem: BRAVO-Experte „Dr. Sommer“ war in Siebzigerjahren bekannter als jeder Politiker oder Fußballer.
Wer sich selbst ein Bild der BRAVO-Cover machen möchte, findet sich im Archiv der Zeitschrift leicht zurecht. Ich empfehle das Jahr 1976.
In den Achtzigern verschwand diese (zumindest auf den ersten Blick) rohe und natürliche Form von Nacktheit und Freizügigkeit wieder von der BRAVO. Irgendwann in diesem Jahrtausend kehrte zumindest die Freizügigkeit im Hochglanzstil zurück. Die BRAVO-Cover veränderten sich allerdings insgesamt, wie die Zeitschrift als solche, die längst nicht mehr wöchentlich, sondern nur noch monatlich erscheint und kein Leitmedium mehr ist.
Warten aufs Frühjahr 2027
Was ich selbstverständlich nur weiß, weil ich mich bei der Recherche für meine Liebesroman-Reihe mit der BRAVO befasst habe. Ich habe die BRAVO auch als Teenager nur dann und wann durchgeblättert. Band 1 der Reihe erscheint im Frühjahr 2027. Was ihr jetzt schon wisst: Meine Hauptfigur wird einen Schutzraum inklusive alter einer alten BRAVO entdecken und sich den Kopf zerbrechen, wer wen dort warum im Herbst 1974 getroffen hat. Das wird aber erst in Band 2 verraten. Tut mir leid. Ehrlich. Ich muss diesen Teil der Story erst noch zu Ende schreiben.
