WELCHE MEINER BÜCHER SCHLECHT GEALTERT SIND

25 März 2025

Kürz­lich stol­perte ich mal wie­der über so einen Fall: Das Life­style-Maga­zin Vogue lässt seine 25-jäh­rige Volon­tä­rin erst­mals „Pretty Woman“ gucken. Wenig über­ra­schend fin­det die Volon­tä­rin her­aus, dass Richard Gere schon irgend­wie sexy ist und Julia Roberts auch ziem­lich attrak­tiv. Der Rest jedoch: Puh, pro­ble­ma­tisch. Ein Mann kauft sich eine wesent­lich jün­gere Frau. Pro­sti­tu­tion ist sehr beschö­ni­gend dar­ge­stellt. Plus viele wei­tere Kli­schees, in der Regel zulas­ten der Frauen.

Fand die Vogue etwa „Pretty Woman“ 1990 rundum gelungen?

Okay, ich kenne den Film nicht. Aber diese Punkte hätte ich auch schon 1990 frag­wür­dig gefun­den. Keine Ahnung, warum dies Vogue erst 35 Jahre spä­ter und bloß mit­hilfe die­ser Volon­tä­rin gelingt. Oder geht es Vogue nur darum, irgend­et­was zum Thema „Schlecht geal­tert“ bei­zu­tra­gen?

Das Label „Schlecht geal­tert“ wird gern Büchern, Fil­men, Serien oder Lie­dern ange­hef­tet, wenn diese aus Sicht der Label-Anhef­ter bei­spiels­weise über­holte Geschlech­ter­rol­len trans­por­tie­ren oder wenn Min­der­hei­ten dis­kri­mi­niert wer­den. Schluss­fol­ge­rung: Diese pro­ble­ma­ti­schen Bücher, Filme, Serie, Lie­der könn­ten heute, in unse­rer sehr sen­si­blen und mimo­si­gen Gesell­schaft, nicht mehr ent­ste­hen.

Niemand hat vor, Harry Potter zu canceln.

Mal reicht es im Übri­gen auch, dass sich einer der am Kunst­werk betei­lig­ten Men­schen irgend­et­was zuschul­den kom­men ließ. Unter ande­rem Woody Allen, Roman Pol­an­ski, Kevin Spacey oder JK Row­ling ste­hen des­halb unter Beschuss und einige Zeit­ge­nos­sen mei­den deren Werke. Bestimmt wür­den sie diese auch gern can­celn. Spaß! Nie­mand hat vor, Harry Pot­ter zu can­celn.

Mich beschießt einst­wei­len nie­mand. Dabei habe ich mir aus Sicht eini­ger Men­schen in mei­nen Büchern garan­tiert irgend­was Schlim­mes zuschul­den kom­men las­sen. Was auch immer? Mir fehlt da die Fan­ta­sie. Mal reicht es aus, wenn man etwas nicht tut, wenn man irgend­wel­che Grup­pen nicht erwähnt oder so. Zum Glück bin ich nicht berühmt genug, meine lite­ra­ri­schen Schand­ta­ten drin­gen folg­lich nicht an die breite Öffent­lich­keit.

Keine Ahnung, was pas­sie­ren würde, wenn eine glü­hende Femi­nis­tin oder ein ver­sier­ter Ras­sis­mus­for­scher „Tritt­brett­mör­der“ oder „Ihr letz­tes Stück“ lesen wür­den, um mal meine bei­den popu­lärs­ten Werke zu nen­nen. Viel­leicht wür­den die bei­den meine Bücher als schlecht geal­tert und pro­ble­ma­tisch ein­stu­fen und davor war­nen. Mir fehlt wei­ter­hin die Fan­ta­sie für die Gründe. Ich bin jedoch weder glü­hende Femi­nis­tin noch ver­sier­ter Ras­sis­mus­for­scher.

Keines.

Schluss­fol­ge­rung: Wenn mich eines Tages jemand fragt, wel­che mei­ner Bücher schlecht geal­tert sind, würde ich kacken­dreist behaup­ten: Kei­nes. Hier fin­dest du diese Bücher auf einen Blick.

Nach­trag vom 27. Mai 2025: Kürz­lich durfte eine andere Vogue-Volon­tä­rin die Serie „Sex and the City“ anschauen und beur­tei­len. Da kam auch nichts bei rum – außer ein klei­nes biss­chen mehr Spal­tung der Gesell­schaft. So über­flüs­sig …

Nach­trag vom 3. Novem­ber 2024: „Pretty Woman“ läuft jetzt als Musi­cal in Ober­hau­sen.